Yoga als Kunst der Pause

Yoga ist nirodha

Mein Yogalehrer Rudolf Fuchs bezeichnete schon vor 30 Jahren Yoga als die Kunst der Pause. Er tat das sicher mit Blick auf die alte Yogadefinition in den Yogasūtras des Patanjali: Yogas citta vrtti nirodha (≈ Yoga ist die Pause der Bewegungen des Bewusstseins II/1).

 Man kann diese 2. Sutra des ersten Kapitels nur näherungsweise übersetzen. Das Wort nirodha sollte man dabei aber nicht übersehen. Nirodha kann man vorläufig mit Innehalten des Denkens oder eben mit Pause übersetzen. Gemeint ist damit, dass der Geist des Übenden zu einer tiefen Ruhe findet – und alle Anstrengungen und Aktivitäten hinter sich lässt, ob in Stuttgart oder sonst irgendwo auf der Welt.

Dass wir Yoga mit Bemühung gleichsetzen, manchmal sogar mit sportlicher Betätigung, ist dem weit verbreiteten Hatha-Yoga geschuldet. Da geht es scheinbar um etwas, was wir kennen und was wir gerne praktizieren: Wir bewegen den Körper und erzielen so etwas wie Fitness. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass wir das eigentliche übersehen: Nämlich die Pause im Tun und Denken, das Innehalten. Nirodha.

 Yoga üben heißt, auf die Lücken achten

Bhagwan Sri Rajneesh, sicher ein im Westen umstrittener spiritueller Lehrer, hat es einmal so ausgedrückt. Wenn ein Westler eine Straße betrachtet, achtet er auf die Autos. Wenn ein östlicher Mensch die Straße betrachtet, achtet er auf die Lücken zwischen den Autos. Sicher war das sehr überspitzt formuliert. Und ob das auf heutige östliche Menschen noch zutrifft, muss man auch sehr in Frage stellen. Aber Sri Rajneesh macht uns auf eine kulturelle Schwäche aufmerksam. Wir haben die Fähigkeit vernachlässigt, auf Lücken und Pausen zu achten. Wir übersehen das, was zwischen den Aktivitäten und Übungen stattfindet. Wir übersehen das Eigentliche in den Yoga-Übungen: nirodha!

 Nirodha ist aber der Dreh- und Angelpunkt im Yoga und ohne die Ausrichtung auf nirodha ist eine Körperübung Gymnastik oder Sport, und damit durchaus empfehlenswert und sinnvoll – aber eben noch kein Yoga..