Yoga und Sport

Selvarajan Yesudian: Sport und Yoga

Selvarajan Yesudian nannte sein erstes Buch, gemeinsam geschrieben mit Elisabeth Haich, Sport und Yoga. Es heißt, Yesudian hätte beide Begriffe zusammengebracht, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass so intensive Anstrengungen wie beim Sport nicht auch auf geistige Ziele gerichtet wären. Wenn dem so wäre, so wäre das aus heutiger Sicht eine Erklärung für die gleichzeitige Nennung ganz unterschiedlich ausgerichteter Disziplinen.  Fragen kann man ihn leider nicht mehr, denn er starb bereits 1998.

Jedenfalls betont Yesudian in Sport und Yoga: „Nichts ohne Seele“. Da ist er wohl ganz Teil der alten indischen Yogatradition. Es ist nicht Yoga-Art, nur für den Körper etwas zu tun. Mein Yogalehrer Rudolf Fuchs betont mir gegenüber immer wieder, dass er dem Wunsch vieler Yoga-Interessierter, einen auf körperliche Parameter bezogenen Yoga in Stuttgart anzubieten, von Anfang an nicht nachgegeben habe.

Neulich wurde ich gefragt, ob man nicht durch körperliche Haltungskorrekturen auch im Sinne von Yoga etwas bewirken könne. Im Einzelfall mag das möglich sein. Aber sportliche Korrekturen oder gymnastische Korrekturen führen in erster Linie zu sportlichen oder gymnastischen Ergebnissen. Der Yoga beginnt aus Yogasicht mit der Anbindung an die nichtkörperlichen Prozesse des Menschen. Das beginnt mit dem Atem. Scheinbar ist das jetzt ein Widerspruch, denn der Atem ist für uns ja auch zunächst eine Körperfunktion. Aber aus Yogasicht ist Atem viel mehr: Zugang zu Pranayama. Und der eigentliche Pranayama (Atemachtsamkeit) beginnt nach Aussage der Yogasutras, wenn das Physiologische des Atems schon ganz in den Hintergrund getreten ist. Der eigentliche Pranayama ist dann also schon etwas, so könnte man vielleicht sagen, Ätherisches. Jedenfalls etwas, was über körperliche Erfahrung hinausgeht. Pranayama zeigt schon deutlich in Richtung Meditation.

Nebenbei sollte man auch noch wissen, dass immer mal wieder die Parameter für körperlich richtige Haltung korrigiert werden. Karfried Graf Dürckheim berichtet in seinem Buch „Hara“ Otto Wilhelm Barth Verlag: „Brust raus – Bauch rein. Ein Volk, bei dem dieser Spruch zu einer allgemeinen Anweisung werden konnte, ist in großer Gefahr- so sagte mir ein Japaner 1938“.  Leider wurde das in Deutschland etwas spät bemerkt.

1998 schreiben die Stuttgarter Nachrichten (Stuttgarter Nachrichten, Medizin aktuell vom 9.9.1998): „Niemand weiß beispielsweise, wie eine optimale Krankengymnastik auszusehen hat, gibt der Wirbelsäulenexperte (der Ulmer Biomechaniker Hans Joachim Wilke) zu bedenken.“

Die Forschung mag diesbezüglich weitergegangen sein. Aber Yoga wurzelt noch immer in den nicht-körperlichen Quellen des Menschen. Wenn gelegentlich gesagt wird, langes gerade Sitzen wie in der Meditation wäre für die Wirbelsäule vielleicht zu anstrengend, kann man aus Yogasicht dem entgegenhalten: Das tut auch kein Yogin. Er sitzt nicht gerade, er lässt sich gerade sitzen. Von der Urkraft, die in jedem Lebewesen wohnt. Und sich dieser Urkraft zu öffnen, es zu versuchen, es anzugehen, diese Anbindung zu erneuern, das ist Yoga.

Da diese Anbindung nicht körperlicher Art ist, sondern einen Spurwechsel in eine andere Ebene erfordert, sollte man Yoga nicht mit Sport verwechseln. Das soll aber in gar keinem Fall das Schöne oder das gesundheitlich Wertvolle am Sport in Abrede stellen. Hier geht es nur um eine Unterscheidung zweier unterschiedlicher Ansätze.

Bild: „Römerhaus“ beim Bärenschlössle in Stuttgart (alter gallo-römischer Tempel)