Keltische Knoten, Materie und Samapatti

Das Ausführen der Körperhaltungen, der Āsanas, wird im Yoga meist mit viel Aufwand betrieben. Mindestens soviel Aufmerksamkeit gilt aber sowohl der Arbeit mit dem Atem  als auch der Wiederentdeckung der meditativen Seiten des Bewusstseins. Zu tun hat das mit einer ganz anderen Auffassung der existenziellen Realität des Menschen.

Kein Platz für Materie?

Circular pattern of Medieval style(Celtic knot)-04
Kreisförmiges Muster im mittelalterlichen Stil (Keltischer Knoten)-04

Körper und materielle Welt sind Teil unserer Lebenswirklichkeit. Aber sie haben im Yoga nicht den alleinigen Anspruch auf Wirklichkeit. Und die Erkenntnisse moderner Physiker bestätigen eher alte östliche Betrachtungsweisen zu Materie, wenn man sich z.B. das folgende Zitat von Albert Einstein ins Gedächtnis ruft:

„Wir können daher Materie als den Bereich des Raumes betrachten, in dem das Feld extrem dicht ist [. . .] in dieser neuen Physik ist kein Platz für beides, Feld und Materie, denn das Feld ist die einzige Realität“ (zitiert aus Fritjof Capra, Das Tao der Physik, S.209).

Samapatti

Yoga kennt den Begriff samapatti „Einswerden mit der Unendlichkeit“, s. Patanjali Yoga-Sutra II/47. Auch viele moderne Pyhysiker wie z.B. Hans Peter Dürr (s. Hans-Peter Dürr: Geist, Kosmos, Physik   Crotona-Verlag) sehen die Einzelteile des Universums nicht wirklich voneinander getrennt. Erlebbar ist demnach nur das, was nicht wirklich von mir getrennt ist. Und für die alten indischen Weisen galt schon immer, dass alles dem ich begegne, eine Entsprechung in mir hat: Erde und Himmel, Sonne und Mond, männlich und weiblich, Geist und Materie. Weil ich es erlebe, innen wie außen, gibt es auch mit allem eine Verbundenheit, hinter der Verbundenheit eine geheimnisvolle Einheit.

Keltische Knoten

Schaut man sich vor dem Hintergrund solcher Betrachtungen alte keltische Symbole an, wie man sie beispielsweise auf dem Außenportal der alten romanischen Schottenkirche in Regensburg findet (s.u.), stellt sich die Frage, ob die Künstler der damaligen Zeit, durch welche Inspiration auch immer, Zugang zu solchem Wissen hatten. Abgebildet sind oben wie unten sogenannte keltische Knoten. Verwobenheit von Zeit und Raum, Teil und Ganzes als untrennbare Einheit: Ist es eine neue Erkenntnis, oder ist sie nicht uralt? So alt wie die Veden, so alt wie die Kunst? Oder einfach so alt wie der Mensch selbst?

Am Ende, sagt Yoga, zählt nicht das Wissen aus Büchern. Am Ende zählt die eigene Erfahrung. Und wie der eigene Erfahrungshorizont erweitert werden kann, damit haben sich die Yogins seit Jahrtausenden über den konzentrierten Blick der Meditation in die eigene Tiefe beschäftigt.