Was ist Asana?

Asana bedeutet im Yoga das Eins-Werden mit der Unendlichkeit (samāpatti)

Zunächst einmal bedeutet Asana eine Art „Ankommen“. Wenn Sie nach Brasilien fliegen, ist Ihr Körper nicht im Rhythmus. Es dauert eine Woche, dann ist der Jetlag überwunden. Es dauert einfach, bis eine Zeitverschiebung von fünf Stunden überwunden ist. Denn dann erst sind Sie wieder eins mit Ihrer Umgebung. Sie schwingen im selben Rhythmus. Dann erst sind Sie angekommen.

Drachentempel und Yoga
Drachentempel

Dasselbe geschieht, wenn Sie nach Indien fliegen. Dann ist Ihr Körper mit seinem Stoffwechsel und seinem Tag- und Nachtrhythmus zu spät dran. Er hinkt seiner Umgebung hinterher. Es dauert, bis Sie wieder eins sind mit Ihrer Umgebung. Dann erst sind Sie angekommen. Dann haben Sie sich neu rhythmisiert.

Auch bei einem Ortswechsel dauert es, bis Sie sich eingewöhnt haben. Auch wenn Sie eine neue Wohnung beziehen, werden Sie sich erst eingewöhnen müssen. Irgendwann aber sagen Sie sich: Jetzt bin ich hier zuhause. Dann sind Sie richtig angekommen. Dann sind Sie eins mit Ihrer neuen Umgebung.

Was heißt nun im Yoga das Eins-Werden mit der Unendlichkeit? (Yogasutra II,47)

Weil wir mit Sanskrit nicht viel anfangen können, machen wir kurzerhand aus Asana(s), den bekannten Körperhaltungen des Yoga, Sport.
Diese Yogahaltungen sehen ja nun mal sehr nach Gymnastik aus. Das, worum es geht, kann man ja auch nicht sehen: Samāpatti. Samāpatti ist das Erleben, dass die ganze Welt, alle Körper und Dinge und Wesen und Menschen, immer noch miteinander verbunden sind.

Hans-Peter Dürr, früherer Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik, schreibt in seinem Buch „Geist, Kosmos und Physik: „. . . dass wir alle, die wir hier im Raum sitzen, zwar unterschiedlich und unterscheidbar, aber nicht getrennt sind. Wir befinden uns alle sozusagen in dieser Gemeinsamkeit, und das ist eine wesentliche Voraussetzung, dass wir überhaupt miteinander kommunizieren können.“ *

Die Physik sagt: Alles ist aus dem Urknall entstanden. Alles ging aus einer geballten Einheit hervor. Auch die Yogins sagen: Alles ging aus einem Akasa (Urstoff) hervor. Sie gehen aber weiter und sagen: Wir können das auch erleben. In uns. Denn die Einheit ist auf einer nichtstofflichen Ebene immer noch vorhanden. Dass  die Teilchen eines zerstörten Atoms, obwohl sie Lichtjahre voneinander entfernt sind, noch miteinander verbunden sein können, zeigt die Physik im berühmten „Einstein-Rosen-Podolsky-Paradoxon“.

Das Erfahren der Einheit, die aller Materie zugrunde liegt, heißt im Yoga „Sthiti“. Um Sthiti zu erleben, nehmen die Yogins Asanas ein. Ich möchte Asana daher als eine gesteigerte Form des „Ankommens“ bezeichnen. Der Körper ist ganz angekommen. Ein kleiner Teil des Universums, unser Körper, bildet wieder eine Einheit mit dem Rest des Universums. Und dieses Ankommen ist fest und angenehm. Und das ist dann Asana mithilfe von Samāpatti.

Was die Augen sehen und nicht sehen – Innere Schau

Was wir sehen können, ist die Körperhaltung und den Körper des Yogins. Was wir nicht sehen können, ist das Eigentliche: Der Yogin erlebt körperlich die Verbundenheit mit den Dingen. Er erlebt „Sthiti“: Alles Dingliche verschmilzt in seiner Wahrnehmung zu einer angenehmen, festen Einheit.

Anders gesagt: Wenn wir die Welt mit den Augen sehen, ist alles voneinander getrennt. Aber mit der Inneren Schau erleben wir die Einheit der Dinge.

Nils Bohr, dänischer Nobelpreisträger für Physik, hat einmal gesagt, „wenn einem nicht schwindlig wird, wenn er zum ersten Mal von der Quantentheorie hört, dann hat er noch kein Wort von ihr verstanden“ **. Dasselbe gilt auch für Yoga und die Stufe Asana.

*Hans-Peter Dürr: Geist, Kosmos und Physik  Crotona-Verlag, S. 60

** Paul Davies, Die Urkraft, Rasch und Röhring S.57